„So ein Motorrad ist schon was Tolles“, stellt die Frau eines schönen Frühlingsmorgens fest, „wenn man so mit Vollgas in die Kurve glüht, das muss ja ein Gefühl wie fliegen sein!“. Ich habe keine Ahnung wie sie darauf kommt, wahrscheinlich haben sie die Hells Angels unter Drogen gesetzt oder sie hat sich heimlich in Valentino Rossi verliebt.

Bei mir schrillen jedenfalls alle Alarmglocken. Das ringsum erwachende Leben und meine aufkeimende Libido lassen mich trotzdem zustimmend mit dem Kopf wackeln. „Oh ja. Du hast absolut Recht!“, höre ich mich sagen. Das Problem dabei: weder die Frau noch ich besitzen einen Motorradführerschein. Doch wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt hat, kennt sie keine Probleme. Zack-zack, 5 Minuten später sind wir bei der Fahrschule für das nötige Fahrtraining angemeldet. Mit nur sechs Stunden Praxis bekommt man die Lenkberechtigung für 125-Kubik-Motorräder. Das sind einige Kubik mehr als man benötigt um sich selbst mitsamt Moped um einen Baum zu wickeln oder den Asphalt zu küssen. Und genau damit hat die liebe Frau auch schon Erfahrung gemacht.

In ihrer Jugend hat sie ihr Moped mehrmals abgeworfen, die Knochen blieben alle heil, die Bänder im Sprunggelenk mussten daran glauben. Scheinbar hat sie das im Laufe der Jahre aber verdrängt: „Wie schnell fährt denn so eine 125er?“, fragt sie mich, „so von 0 auf 100 meine ich? Und hoffentlich macht sie auch richtig Krach!?“. „Höllisch schnell ist die! Und Krach macht sie so viel, dass die Nachbarn aus den Ohren bluten“, antworte ich, „ohne Organspendeausweis darf man da gar nicht rauf“. Die Antwort scheint der Frau zu gefallen, ihr Grinsen reicht von einem Ohr zum anderen. Ich beginne mir ernsthaft Sorgen zu machen.

Der Pauker ist geschätzte 80 Jahre alt und heißt Hubert. Obwohl er sich für Easy Rider hält, dürfen wir ihn Hubsi nennen.

Ein paar Tage später finden wir uns auf dem Parkplatz hinter einem versifften Tanzschuppen namens „Bollwerk“, wieder. Wir gesellen uns zu einem Haufen pickelgesichtiger, 15-jähriger Moped-Prüflinge. Zwei der Jugendlichen beschimpfen sich lautstark auf arabisch. Vielleicht brüllen sie aber auch „BAM OIDA, IST DAS DEIN MOPED? DAS SIEHT ECHT FAME AUS!“ und „ICH WEISS, OIDA, VOLL DIE FARBEN, OIDA! DEINS IST ABER AUCH NICE!“, so genau weiß ich das nicht, ich kann kein arabisch.

Easy Rider Hubsi

Dort wo in der Nacht der Exzess König ist, werden untertags Verkehrsregeln und Disziplin gepaukt. Der Pauker ist geschätzte 80 Jahre alt und heißt Hubert. Obwohl er sich für Easy Rider hält, dürfen wir ihn Hubsi nennen. Er hat sich sämtliche Harley-Davidson-Fan-Artikel entweder angezogen oder um seine schlaffen Körperteile gewickelt. Betont lässig verteilt er orange Hütchen auf dem Parkplatz und schwingt dabei coole Sprüche aus den 60er-Jahren. Die Hütchen wären eigentlich nicht notwendig, es ist ja schließlich der Bollwerk-Parkplatz. Wir könnten genau so gut zwischen den zerbeulten Bierdosen, ausgetretenen Joints, Kondomen und alten Kotzebröckchen Slalom fahren. Easy Rider Hubsi bittet uns aber die Hütchen zu verwenden und den restlichen Unrat einfach zu ignorieren.

Easy Rider

Abschluss mit elegantem Abgang

Und das machen wir dann auch. Wir fahren zwischen den Hütchen im Kreis. Sechs Stunden lang, einmal links rum, einmal rechts rum. Einmal mit blinken und abbiegen, einmal mit Stehenbleiben und Vorrang geben. Alles funktioniert tadellos. Niemand rutscht auf einem Kondom weg oder landet in einem Kotzehaufen. Bis fünf Minuten vor Schluss. Die Frau wird leichtsinnig, sie will beim Anfahren die Reifen qualmen lassen, Gummi geben, was sich maximal als mittelprächtige Idee herausstellt. Das Motorrad rutscht weg, sie hebt ab, segelt elegant mit Salto über die Lenkstange und schlägt auf dem Boden auf. Leider nur knapp neben der Kotze, die hätte den Aufprall etwas abgemildert. Dafür landet das zweirädrige Ungetüm auf ihrem Bein. Der Fahrlehrer hat vom Unglück nix mitgekriegt, er war grad in sein Handy vertieft, hat sich eine Folge Renegade angeschaut. Wir sagen ihm nix, wollen ja den Führerschein haben. Die Jacke der Frau ist zerrissen und ihr Unterschenkel leuchtet rot-orange-blau-grün, wie ein abstraktes Kunstwerk. Die Jugendlichen lachen uns aus.

Einen Monat später kann sie wieder ohne Krücken gehen. Obwohl wir die Eintragung in den Führerschein bekommen haben, ist der Traum vom eigenen Motorrad vorerst ad acta gelegt. Die Frau hat uns aber allen neue Radhelme gekauft und den Erste-Hilfe-Kasten aufgerüstet. Als ich vorschlage ein Motorrad nur für mich zu kaufen, schlägt sie die Hände überm Kopf zusammen und ruft: „Um Gottes Willen, das ist ja viiieeel zu gefährlich. Wehe du steigst mir noch einmal auf so ein Teufelsding!“.

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