Gesammelte Briefe aus dem Familienurlaub auf der Kykladen-Insel Santorini. Berichte von unbarmherziger Hitze, dem Influencer-Epizentrum, Marihuana und einer Katze mit akkuratem Seitenscheitel und Bärtchen.
1. Brief – Montag, 12. Juli: Hotspot für Instapeople
Sind gut auf Santorini angekommen. Die Leute hier sind jung und international, sie kommen aus London, L.A., Tokio, Bottrop, Buxtehude, Kirschentheuer, Gotschuchen, Sinabelkirchen und Stinatz. Die Sinabelkirchner und Stinatzer haben eine Bottle Rotwein in der Hand und die Fiaß im schwarzen Sand. Die Kirschentheurer sind auf der Suche nach billigen Kirschen und die Gotschuchner trinken Bier statt Rotwein.
Alle anderen machen Pics, Vids, Reels und Storys mit ihren iPhones X hoch 666. Am Strand vor uns sitzt eine 16-Jährige, die in 15 Minuten 100 Fotos von ihrem Dekolleté macht und sich zwischendurch den Bikini 300 mal zurecht zupft. In der Instagram-Hauptstadt Oia sind Horden von Influencern unterwegs. Die engen Gässchen sind verstopft, niemand kommt mehr voran. Wie Zombies klettern die Instapeople mit ihren Selfiesticks übereinander hinweg um die beste Position für ihre nächste Story zu ergattern. Die männlichen Exemplare tragen Tennissocken, Adiletten und Muskelshirts, die weiblichen Brust- und Lippenimplantate. Trotz dieser optischen Makel versuchen sie in der brennenden Hitze möglichst sexy auszusehen, machen Kussmund und grinsen um die Wette.
Ich suche Schutz unterm Marihuanastrauch, der hier das einzige bisschen Schatten spendet
2. Brief – Mittwoch, 14. Juli: Marihuana am Pool
An unserem Hotelpool gibt es keine Schirme. Die Sonne knallt unbarmherzig auf die weißen Kacheln, meine Bindehaut hat sich binnen Sekunden entzündet. Es ist so heiß, das Hotelpersonal brutzelt ab 8 Uhr direkt auf dem Steinboden Spiegeleier & Speck fürs Frühstücksbuffet. Ich suche Schutz unterm Marihuanastrauch, der hier das einzige bisschen Schatten spendet. Nach ein paar Tagen ist es auch damit vorbei. Eine Horde fresher Instapeople checkt im Hotel ein und raucht mir meinen Sonnenschutz weg.
3. Brief – Freitag, 16. Juli: Lauf auf den Hausberg
Die Hitze treibt mich in den Wahnsinn. Ich brauche Abkühlung, also mache mich auf den Weg um unseren Hausberg zu erklimmen. Vorbei an in der sengenden Sonne dahinsiechenden Katzen und komatösen Hunden trabe ich aus der Touristenzone hinaus Richtung Berg. Scheinbar hab ich dabei Göttervater Zeus erzürnt, denn oben angekommen, reißt er mir mit einem wütenden Orkanstoß das überteuerte Buff-Laufkapperl vom Kopf. Es ist so weit geflogen, irgendwann hab ichs dann nicht mehr gesehen. An dieser Stelle also ein dringender Appell! Es ist ein schwarzes Kapperl, Marke „Buff“. Es hat weiße Schweißränder und mehrere Ouzo- und Tzatziki-Flecken. Falls es bei euch vorbeikommt, bitte auffangen, das ist meins!
4. Brief – Sonntag, 18. Juli: Adi H., der liebste Kater der Welt
Für die wirklichen Highlights der Insel haben die feschen Instapeople hier auf Santorini keine Zeit. Dafür gibt es dann so Leute wie mich. An der Strandpromenade haben wir nämlich unseren neuen besten Freund kennengelernt. Jeden Abend beim Dinner stattet er uns einen Besuch ab. Er sieht richtig niedlich aus, trägt einen akkuraten Seitenscheitel und ein kleines Bärtchen auf der Oberlippe. Die anderen Streuner haben einen mordsmäßigen Respekt vor ihm. Wenn er im Stechschritt an unserer Taverne vorbeimarschiert, buddeln sich alle Katzen schnell im Sand ein. Die Hunde stehen bei seinem Auftritt stramm und heben Pfötchen zum Gruß. Solange man ihm was von seinem Wolfsbarsch abgibt, ist er aber der liebste Kater der Welt.