Die Koschuta in den Karawanken steht für Wander- und Naturgenuss. Zieht man statt den Wanderstiefeln die Laufschuhe an, und verschärft das Tempo wird aus dem Genießen ganz schnell ein Quälen. Dieses Quälen dient mir beim 13. Koschuta Berglauf als Generalprobe für den Grossglockner Berglauf. Über 800 Höhenmeter auf knapp 10 Kilometern wollten bezwungen werden.
Der Wettkampftag beginnt bescheiden. Bereits nach dem Aufstehen muss ich feststellen, dass sich Alpträume von Kollaps und Krampfadern negativ auf mein Fitnessempfinden auswirken. Im Rennen läuft es trotzdem gut. Nach dem Start überhole ich bald den bärtigen Kollegen, mit dem ich letztes Mal Hand in Hand die Ziellinie überquert habe. Trotz unserer emotionalen Vergangenheit, gibts diesmal nicht mehr als ein kurzes ‚Hallo‘. Am Berg bist du eben doch allein. Vielleicht läuft es aber gerade deswegen besser als gedacht.
Bei einem besonders steilen Anstieg schließe ich zu einem schlaksigen 20-Jährigen auf. Er humpelt. Von hinten höre ich ihn murmeln „Immer das gleiche … so jung und dumm. Jung und dumm …“ Ich brülle ihm ins Ohr „Reiß dich zusammen! Gib Gas! Hopp hopp hopp!“ Er reißt sich zusammen und verschärft sein Tempo. Wir laufen ein Stück gemeinsam. Sein Gemurmel unterbricht er dabei nur für ein paar Japser und große Rotzbrocken, die er mir vor die Füße schlatzt. Einen knappen Kilometer später suche ich das Weite und presche nach vorne. Ich hab keine Ahnung woher die Energie kommt. Bin aber froh nicht mehr ganz so jung zu sein. Dumm fühle ich mich diesmal auch nur ein bisschen.
Wer rauf kommt, muss auch wieder runter
Etwa 2 Kilometer vor dem Ziel geht die steile Schotterstraße in eine weite Almwiese über. Es geht fast senkrecht bergab. Mausefalle schas dagegen. Das Gras ist feucht. Ich lande zweimal auf dem Arsch und knicke mit dem Fuß um. Eine alte Frau hüpft wie eine Bergziege an mir vorbei. Von hinten sehe ich wie ihr schneeweißer Haardutt auf und ab wackelt während sie gazellengleich über Kuhfladen und herumliegende Steine springt. Auch andere Berg(ab)läufer ziehen leichtfüßig an mir vorbei. Notiz an mich: Nur bergauf laufen ist anscheinend nicht alles!
Bergauf laufen ist anscheinend nicht alles.
Als die Almwiese hinter mir liegt und die Strecke wieder in einen Anstieg übergeht, kommt die Sicherheit wieder. Kurz vor dem Ziel kann ich sogar noch drei Bergläufer überholen. Ich spüre wie sie voller Neid die Krampfadern auf meinen Wadln bewundern und überquere kraftvoll die Ziellinie. Kaltes Bier, Wasser, Orangen und Melonen stehen für die Läufer bereit. Die alte Bergziegen-Frau ist bereits da. Sie drückt mir ein Bier in die Hand und prostet mit mir an. Gemeinsam hören wir den Großglockner rufen. Ich bin bereit!