13. Juli 2013 – wir sind frisch verheiratet! Direkt nach einer rauschenden Hochzeitsnacht brechen wir mit unserem klapprigen, weinroten Skoda auf und holpern über rumpelige Landstraßen quer durch Italien bis nach Livorno. Von dort nehmen wir die Fähre Richtung Korsika.

Wir legen an in Bastia und fahren über sanfte Hügel weiter nach St. Florent. Die Frau ist im 7. Monat schwanger und schleppt einen imposanten Kugelbauch vor sich her. Hotel haben wir vorher keines gebucht. Wir wollen uns treiben lassen und die Insel entdecken.

St. Florent scheint uns der passende Ort für einen ersten Zwischenstopp. Das kleine Städtchen liegt in einer Bucht im Norden der Insel. In den hübschen, gepflasterten Gässchen riecht es nach gegrilltem Fisch und Pastis – dem heimischen Anisschnaps. Restaurants und Bars liegen entlang des schmucken Hafens, in dem weiße Yachten, eine größer als die andere, vor Anker liegen.

Hier, ganz in der Nähe, finden wir auch unsere Hochzeitssuite, direkt an der Küste. Eigener Strand, King Size Bed, Riesenterrasse und Blick aufs Meer. Für uns ist das alles purer Luxus. Wir waren bis dahin auf Reisen nur mit schmalem Geldbeutel unterwegs und froh wenn die Duschen über einen Vorhang verfügten und ein Ventilator im Zimmer hing.

Blick über Terrasse und Pool bis hin zum Meer
Blick über Terrasse und Pool bis hin zum Meer
Im Jachthafen von St. Florent
Im Jachthafen von St. Florent

Patti Smith klaut uns die Suite

Leider haben wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Patti gerechnet. Patti? Patti Smith! In verruchten New Yorker und Chicagoer Nachtclubs der 70er und 80er machte sie sich als „Godmother of Punk“ einen Namen und röhrte gegen die Gesellschaft an. Das Musikmagazin „Rolling Stone“ führt sie auf Platz 47 der größten Musiker aller Zeiten und wenn ein solcher Star in St. Florent Station macht, dann natürlich standesgemäß. Mit eigenem Strand, King Size Bed, Riesenterrasse und Blick aufs Meer. Das ganze in unserem Hotel und in unserer Hochzeitssuite. Aber ohne uns.

Das Zimmer ist so klein, wir müssen unsere Koffer vor der Tür stehen lassen, damit wir hinein passen.

Wir werden also von der Hotelmanagerin vertröstet und müssen in das letzte freie Zimmer übersiedeln. Der Tausch ist ein schlechter. Riesenterrasse, King Size Bed und Meerblick gegen Besenkammer. Ich kann hier mit ausgestreckten Armen beide Wände berühren. Wir müssen unsere Koffer vor der Tür stehen lassen, damit wir hinein passen. Das Fenster erinnert an eine Schießscharte in einer Burg. Wenigstens haben wir ein eigenes Badezimmer – das ist auch viel kompakter als oben in unserer Suite. Ich kann darin gleichzeitig am Klo sitzen und duschen. Und wenn wir die Pölster aus dem Fenster schmeißen würden, könnten wir sogar einen Koffer zu uns ins Zimmer holen. Leider passen die Pölster nicht durchs Fenster. Aber hey – Flitterwochen! Perfekt zum Kuscheln!

Breakfast with Patti

Als Entschädigung für den Zimmerwechsel dürfen wir Patti dabei zusehen, wie sie beim Frühstück ihre Croissants in ihrem frisch gemahlenen, französischen Kaffee ertränkt. Das Buffet ist prachtvoll auf einer großzügigen Terrasse über dem Meer aufgebaut. Pattis verfilzte Woodstock-Haare versperren mir den Ausblick auf das glitzernde Wasser. Als sie bei unserem Tisch vorbeiläuft um mir das letzte Avocado-Toast vom Buffet wegzuschnappen, fällt mir ein kleines Blitztattoo auf ihrem Knie auf. Es sieht aus als wäre es von einem arbeitslosen, bulgarischen Kunstprofessor mit einer rostigen Nadel in einer versifften Kellerkneipe in Brooklyn gestochen worden. Überhaupt macht Patti den Eindruck, als wäre sie geradewegs aus dieser Kellerkneipe auf unserer Frühstücksterrasse aufgeschlagen. Sie hat sich auf ihren Konzerttouren offenbar nicht ausschließlich von Luft, Liebe und Croissants ernährt. Obwohl ich ihr am nächsten Tag das letzte Avocado-Toast reserviere, haben wir keine Konzerttickets bekommen.

Ein bisschen enttäuscht packen wir unsere Sachen und sind gespannt was Korsika sonst noch zu bieten hat. Wir fahren nach Westen Richtung Calvi. Vielleicht schnappt uns dort ja Keith Richards, oder noch lieber John Lennon, Zimmer und Avocado-Toasts weg. Die dürften das, ich wäre gar nicht böse.

Mit der Frau auf Hochzeitsreise auf Korsika
Juli 2013, Korsika
7-jähriges Hochzeitsjubiläum mit der Frau am Presseggersee
Juli 2020, Presseggersee

P.S.: Heute, 7 Jahre später, fahren wir übrigens noch immer den gleichen klapprigen, weinroten Skoda. Was sich geändert hat sind nur die Fahrgäste. Wir sind jetzt vier statt zwei. Und der Skoda hat ein paar Schrammen und Kratzer mehr. Aber er bringt uns immer ans Ziel.

P.P.S.: Auch wenn dieses Mal Korsika ins Wasser fällt, wünsche ich dir – liebe Frau – einen wunderschönen Hochzeitstag! Auch der Presseggersee hat seine Reize – und Patti Smith kommt hier bestimmt nicht vorbei.

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