Mošćenička Draga ist ein kleiner Ort in der Kvarner Bucht mit einem exotisch anmutenden Namen: „Klingt wie eine kroatische Putzfrau“, findet der Tiroler Onkel, dem wir von unseren Urlaubsplänen erzählen. Der Onkel hat natürlich, wie so oft, keine Ahnung, deshalb nehmen wir ihn auch nicht mit.
Meine erste Reise hierher führte mich Ende der 90er, zwei, drei Jahre nach dem Kroatien-Krieg. Gemeinsam mit einer Horde milchbärtiger Teenager schnürte ich hier für eine Woche die Fußballschuhe. Unser absolutes Highlight damals war Miš Maš, ein kroatisches Weinmix-Gebräu, bestehend aus Rotwein und Fanta. Sonst gab es hier eigentlich nichts. Zumindest nichts außer türkisem Meer und Ruhe. Seitdem hat sich nicht viel geändert. Miš Maš hab ich heuer zwar keines mehr gefunden, aber die Ruhe und das besondere Flair des Ortes sind geblieben. Nur das gastronomische Angebot hat sich vervielfacht. Die meisten Restaurants befinden sich direkt am Strand und haben in punkto Ausstattung und Kulinarik mächtig aufgerüstet.
Kleine Rechentricks für die Frau
Nicht geändert hat sich die Währung, gezahlt wird immer noch mit Kuna, was die Frau vor Kopfzerbrechen stellt. 7 Kuna entsprechen dem Gegenwert von einem Euro. Das Umrechnen treibt der Frau tiefe Furchen auf die Stirn. Ich will helfen und schlage ihr vor doch einfach den Schilling als Referenzwährung zu nehmen. Ein Kuna entspräche nämlich ungefähr 2 Schillingen, was die Umrechnerei wesentlich erleichtert. „Wenn z.B. eine Portion Ćevapčići 70 Kuna kostet, sind das 140 Schilling. Du musst dann nur noch die Inflation seit den 90ern mit einberechnen und – zack – schon weißt du ob etwas teuer ist oder nicht“, erkläre ich. Der Frau fliegen vor lauter Lachen die Weißbrotkrümel aus dem Mund, prustend sagt sie: „Dieser Ansatz ist so surreal wie du selbst. Falls du was über diesen Urlaub schreibst, pack das bitte mit in den Text.“ Bitte sehr, gern geschehen.
Fußwaschung und Sliwowitz aufs Haus
Die Kellner hier sprechen besser Deutsch als die Kellner bei uns. Die Putzfrauen sowieso. Nebenher parlieren sie auch noch in makellosem Kroatisch, Englisch oder Italienisch. Diese Weltoffenheit erschließt sich dem Tourist aber nur langsam. Der Start ist kühl. Der Kellner in unserem Stammrestaurant ist scheinbar gerade direkt aus der Knastkantine hierher gewechselt. Das Gesicht gezeichnet von der Last des Lebens knallt er uns mit seinen tätowierten Armen Speisen und Getränke vor die Nase. Doch mit jedem Tag wandelt sich das Bild ein wenig. Am dritten Tag hat er ein Lächeln für uns parat, nach vier Tagen begrüßt er mich freudestrahlend mit einem kräftigen Hieb auf die Schulter. Am Morgen wartet bereits der Cappuccino frisch aufgebrüht auf dem Tisch und am Abend gibt’s Sliwowitz aufs Haus.
Ähnlich der Eisverkäufer. Am ersten Tag werden wir verarscht, am Vierten bestelle ich 4 Kugeln Eis, bekomme 8 und zahle 2. Es ist ein bisschen unheimlich, ich bin mir sicher, wenn wir noch eine Woche länger bleiben, waschen sie uns die Füße in Rosenwasser und hängen goldgerahmte Fotos von uns über die Theke.
Neue Freunde
Während wir im Restaurant aufs Essen warten, tummeln sich haufenweise Kinder am angrenzenden Strand. Töchterchen L. wirft dort am liebsten Steine. Sie trifft eine Möwe, Zimmernachbar Gerfried am Rücken und einen alten grantigen Fischer am Hintern. Wie der Fischer heißt, wissen wir nicht – wahrscheinlich aber Ivica – so heißt hier jeder zweite.
Ihren neuen Freund, den blonden Niklas mit der Micky-Maus-Stimme trifft sie nur am Fuß. Das Meer, das sie eigentlich treffen will, trifft sie auch hin und wieder. Freund Niklas ist 4 einhalb Jahre alt und kreuzt regelmäßig bei uns am Tisch auf. Er kommt nicht aus Flandern, sondern „aus dem Hochhaus“, erklärt er mit eindringlicher Kreissägenstimme. Seinem Akzent nach zu schließen, liegt das Hochhaus irgendwo überm Weißwurschtäquator, wahrscheinlich zwischen Wanne Eickel und Detmold oder Bottrop.
Niklas ist ein großer Verfechter von gesunder Ernährung. Als wir einen Blick in die Speisekarte werfen, empfiehlt er uns Vitamine: „Es gibt Vitamin A, B und C. Ganz wichtig ist aber Vitamin K, der ist klasse für die Wundheilung“, quietscht er uns ins Ohr. Ich finde leider keinen der genannten Vitamine auf der Karte, und bestelle stattdessen Ćevapčići mit Ajvar und einen Liter Hauswein. Ich bin sicher da ist alles drin was der Körper braucht. Niklas lade ich auf ein kroatisches Kola ein, da ist bestimmt viel Vitamin K drin.