In der Eintönigkeit der letzten Lockdown-Wochen hat Töchterchen L. die Welt der Mode für sich entdeckt und alle mitgerissen. Und wenn ich sage alle, meine ich alle – außer mich.
Beide Töchterchens und meine Frau führen auf dem Catwalk im Wohnzimmer ihre schönsten Kleidungsstücke in den schrillsten Kombinationen vor. Ich muss dann auf der Couch sitzen und so Sachen sagen wie: „Oooh, das sieht aber toll aus“, oder „Wahnsinn, wie diese Bluse deine Ohrläppchen betont“, oder „Mir gefällt wie sich die Strümpfe um deine Waden schmiegen“.
Keinesfalls darf ich aber Dinge sagen wie: „Du siehst wirklich toll aus und die Halskette bringt deinen Kropf so schön zur Geltung!“ Meine Töchter mögen zwar nur aus einem Prozent aus Kropf bestehen, aber die kleine Bemerkung macht das Lob, das die restlichen 99 Prozent des Körpers betrifft, vollkommen zunichte.
Im nordkoreanischen Umerziehungslager
Auf solche Feinheiten muss Mann unbedingt achtgeben! Worte sind Waffen und meine Frauen sensibel. Die rhetorischen Stolperdrähte spannen sich durch die ganze Wohnung, unser Haushalt ist ein regelrechtes Minenfeld. Seit den regelmäßigen Lockdowns bewege ich mich durch dieses bedacht und zielgerichtet wie ein Soldat bei der Landung in der Normandie. Und als Draufgabe entwickle ich mich zum absoluten Modekenner. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so intensiv mit Kleidungsstücken auseinandergesetzt. Jumpsuits, Boleros, Sarongs oder Blousons – mein Wortschatz wächst mit jedem Tag. Das geschieht allerdings nicht aus eigenem Antrieb. Es fühlt sich eher an wie in einem nordkoreanischen Umerziehungslager.
Letztens musste ich mit beiden Kinderleins meine Klamotten aussortieren. Gleich zwei meiner Lieblingsleiberln und ein Hemd, das mir seit der Schulzeit ans Herz gewachsen ist, mussten weg. „Du siehst damit aus wie ein Esel“, erklärte L. und warf es in den Müll. Es ist gut zu wissen, dass meine Mädchen auf mich schauen.
P.S.: Wie Fotobeweis A und B zeigen, sind die Mädels mit meiner Garderobe nicht zufrieden.
