Seit einiger Zeit bringen die Mädels regelmäßig Freundschaftsbücher mit nach Hause. Beim Beantworten der darin gestellten Fragen hilft normalerweise die Frau, diesmal bekomme aber ich den Vorzug. „Du schreibst doch so gerne Papa, du kannst das bestimmt besser als die Mama“, spricht Töchterchen L.
Das Buch, das sie mir in die Hand drückt ist quietschrosa mit Pferden drauf. Die Fragen darin sind ausgesprochen öde und trist, also versuche ich bei der Beantwortung Esprit und jugendlichen Elan zu versprühen.
1. Frage: „Was ist dein Lieblingstier?“ Meine Vorschläge „Nacktmull“ und „Kellerassel“ werden ignoriert. „Lustmolch“ und „Kanalratte“ rufen Augenverdrehen hervor. Nach hitziger Diskussion einigen wir uns auf „Einhorn“ und „Hundebaby“. Süß. Heimlich schreibe ich noch „Schluckspecht“ dazu.
Nächste Frage: „Was kannst du am besten?“ Hier würde ich gerne „Furzen“ hinschreiben. Den Mädels gefällt das aber gar nicht, obwohl sie es ja wirklich gut können. Also schreiben wir „Malen“, „Turnen“ und „Rechnen“ hin.
Wenn man nicht will, dass seine FreundInnen vor Langeweile sterben, sollte man sich mit den Antworten etwas Mühe geben
Auch bei der Frage „Was ist dein Lieblingsbuch?“ kann ich mich nicht durchsetzen. Dabei lässt sich gerade hier – auch bei den Freundeseltern – gehörig Eindruck schinden. Bei den Mädels fallen meine Vorschläge aber allesamt durch. „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“ von Isaac Newton und „Gesellschaftstheorie und Kulturkritik“ von Theodor Adorno oder „Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Einführung in die Unternehmens- und Anwaltspraxis“ von Wabnitz/Janovsky/Schmitt finden sie allesamt „Blödsinn!“ und „Erfunden!“. Also beuge ich mich der Mehrheit und wir schreiben „Bibi & Tina – die schönsten Pferdegeschichten“, was ihrer Ansicht nach „viiiieeel besser“ und bedeutender für die Menschheit ist.
Ich finde wenn man seine FreundInnen mag und nicht will, dass sie vor Langeweile sterben, sollte man sich bei den Antworten etwas Mühe geben. In vielen Jahren lesen die das nämlich wieder durch und dann haben sie in ihrem öden Erwachsenenleben entweder was zum Schmunzeln oder eben nur weitere Ödnis.
Mjam vs. Lieferando
Eine Freundin meiner Tochter schrieb zum Beispiel mal bei der Frage „Was willst du mal werden, wenn du groß bist?“, dass sie Lieferando-Fahrerin werden wolle. Allen, die jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und rufen „Ach du meine Güte! Das ist doch keine richtige Arbeit!“, kann ich sagen, dass sie falsch liegen. Dieser Berufswunsch ist meiner Ansicht nach völlig verständlich und zwar aus mehreren Gründen: Lieferando-Fahrer sind die Edelleute, die Elite unter den Essenslieferanten, die haben eine komplette E-Bike-Ausrüstung, gegen die jeder Pensionist seine Zahnprothese eintauschen würde.
Mjam-Fahrer sind dagegen die Armenhäusler der Lieferanten. Die müssen sich mangels Motorisierung noch selbst abstrampeln. Bei Lieferungen aufs Kreuzbergl oder den Spitalberg kann das mitunter recht schweißtreibend werden. Die Mjam-Fahrer, die sich da mit ihren Rucksäcken voller Essen hinaufquälen wirken wie Sprintspezialisten am Col du Galibier am Ende des Pelotons bei der Tour de France. Keuchend und schwitzend kommen sie kaum vom Fleck. Die Lieferando-Fahrer brausen ohne jede Anstrengung an ihnen vorbei und liefern ihren Kunden die gewünschte Kost dampfend heiß direkt vor die Tür. Bei den Mjam-Lieferanten sind nur die Fahrer selbst überhitzt, wenn sie das kalte Essen abliefern.