Opa hat Geburtstag

Heute feiern wir Geburtstag. Das Geburtstagskind wird 64 und ist eigentlich kein Kind mehr, sondern mein Schwiegervater. Bei meinem ersten Besuch im Hause des Padres war ich noch ein milchgesichtiges Bürschchen, keine 20 Jahre alt…

Mit zittrigen Fingern drückte ich auf die Türklingel. Die möglichen Wurzeln meiner künftigen Frau wurden mir beim Blick auf das Klingelschild nochmals bewusst. „PALLI“, stand da in großen Lettern, ein Name der auch in Sizilien weit verbreitet ist. Was, wenn er mich nicht mag? Kettet er mir dann einen Betonklotz an den Fuß und schmeißt mich in den Wörthersee? Schneidet er mir vorher nach alter Mafia-Sitte einen Finger ab und schickt ihn meinen Eltern um sie zu erpressen? Ich war nervös. Dabei hatte ich mich gewissenhaft auf das Mafia-Verhör vorbereitet. Ich erwartete Fragen wie: „Junger Mann, wie verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt?“ (Schwierig, weil gar nicht) oder „Junger Mann, erzählen Sie mal, was wollen Sie von meiner Tochter?“ (Gemein, weil man eigentlich nur verlieren kann. Sagt man reflexartig „Ach, garnix …“ kann man sich gleich wieder schleichen. Sagt man: „Hauptsächlich rummachen“, ist das zwar ehrlich, aber äußerst riskant).

Zu meiner Erleichterung lösten sich meine Bedenken schnell in Wohlgefallen auf. Il signore Schwiegervater bat mich herein, bot mir ein Bier an und schwärmte von Stanko Bubalo, der sich damals gerade zum Publikumsliebling beim FC Kärnten mauserte. Betonklötze oder Blutspritzer von Mafia-Verhören konnte ich keine erblicken.

Der Cyborg-Opa

Heute ist der vermeintliche Mafia-Padre nicht nur offiziell mein Schwiegervater, sondern auch der Opa meiner Töchter. Er ist ein Opa, wie auch viele Jungs ihn sich erträumen. Halb Mensch, halb Maschine, wie aus einer Actionserie. Die Hüfte aus Titan, das Knie aus Kunststoff, die Zähne aus Keramik und das Herz aus Gold. Die Mädels stehen bei ihm immer an erster Stelle. Er erzählt die spannendsten Krampus-Geschichten, reißt – meistens nicht jugendfreie – Scherze, erfindet aus dem Stegreif die wildesten Reime und verteilt Gummibärchen wie ein Faschingsprinz. Wenn er sich wohlfühlt, redet er ohne Unterbrechung, und da er sich die meiste Zeit seines Lebens wohl fühlt, redet er von früh bis spät.

Er saugt wie ein Wettex

Seine Finger sind so schief wie der Turm von Pisa, jeder einzelne von ihnen. Es sind zwar noch alle zehn da, aber die sehen surreal aus, wie auf einem Picasso-Gemälde. Damals, als er in seiner ersten Saison beim SV Straßburg den Kasten sauber gehalten hat, waren sie noch gerade, mit jedem weiteren Jahr sind sie etwas verbogener und schiefer geworden. Gerne plaudert er noch heute über seine Zeiten als Tormann. „Zu mir haben alle immer Wettex gesagt“, erzählte er mir letztens beim Nachmittagskaffee. Meiner Nachfrage, ob das denn so war, weil er wie ein nasser Fetzen im Tor hing, begegnete er humorvoll: „Nein, natürlich weil ich die Schüsse wie ein Wettex gesaugt hab“.

Das Wichtigste für den Wettex ist, dass alle glücklich sind. Die Oma ist das mit ihm seit fast 50 Jahren. Obwohl ich mich oft frage, wie sie das ganze Gequatsche aushält, ist klar, dass sie einen richtig dicken Fisch an Land gezogen hat. Wer wissen will, wie man eine glückliche Ehe und ein Familienleben wie aus dem Bilderbuch führt, der klingele am besten bei der Glocke mit dem Namen „PALLI“. Und keine Angst – es werden hinter dieser Haustür keine Finger abgeschnitten, nein, hier zählt la famiglia wirklich was. ALLES GUTE, OPA, HALT DIE OHREN STEIF!

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